Drei Monate ist’s jetzt her, seit drei Monaten nehme ich mir vor, ich schreib auch hier auf dem Blog etwas dazu – nie ist’s passiert. Aber jetzt. Die Geschichte von Boo, unserem neuen Familienmitglied, das nun seit knapp zweieinhalb Monaten unser Leben bereichert und meine Schlafenszeit verkürzt.
Anfang Juli bin ich mit meinem Freund in den Urlaub nach Griechenland gefahren – mit unseren beiden Hunden und dem Auto. Zuerst durch Slowenien, dann Kroatien, Serbien und Mazedonien. Zwischenstopp auf einer Autobahnraststätte. Davor immer schon mal wieder an überfahrenen Hunden auf der Autobahn vorbeigefahren. Auch in Slowenien und Kroatien schon gemerkt, dass Hunde dort einfach anders betrachtet werden, als bei uns. Aber Serbien und Mazedonien haben nochmal alles geschlagen. In Serbien gibt es, nach Schätzungen, mehrere Zehntausend Straßenhunde. Genau kann man das natürlich nicht sagen, weil die Hunde weder registriert, noch versorgt werden. Ja und auf einer Autobahn Raststation, am Weg zwischen Wien und Nea Potideia war sie dann auf einmal – ein kleiner, verwahrloster Jack Russell Mix Welpe, ohne Mama, ohne Menschen, die sie liebhaben, ohne Zuhause.
Mich hat die Kleine einfach total an Pippa erinnert und mir ist in dem Moment das Herz gebrochen. Wir haben sie gefüttert und waren, zumindest für eine halbe Stunde lang, für sie da. Wir haben uns in dem Moment nicht getraut sie mitzunehmen, weil wir ja zwei gesunde Hunde im Auto sitzen hatten, weil es mehr als illegal gewesen wäre, sie einfach so einzupacken und nach Griechenland zu bringen – und weil wir uns ja auch die nächsten drei Wochen nicht so um sie kümmern hätten können, wie sie das vielleicht gebraucht hätte. Also haben wir sie sitzen lassen und mir ist das Herz gebrochen und ich hab jedes Mal während der kommenden vier Stunden Autofahrt, wenn ich ihre Fotos angeschaut habe, wieder zu weinen begonnen. Stundenlang. Ich hab mir Vorwürfe gemacht, ob ich sie nicht doch einfach hätte mitnehmen sollen – aber dann hat jedes Mal die Vernunft in mir wieder verneint. Auf der Raststation ging es ihr soweit „okay“ und sie wurde zumindest täglich gefüttert. Außerdem war dort die Chance größer, dass sie von irgendjemandem am Heimweg aufgenommen wird und doch noch ein Zuhause findet und – das Wichtigste – ich wollte nicht riskieren, dass wir einen Hund aufnehmen, und dann dafür im Endeffekt drei Kranke daheim haben.
Weil mir die Kleine aber nicht aus dem Kopf ging, hab ich an dem Abend einigen Tierschutzorganisationen geschrieben und auf Instagram um Hilfe gebeten. Wir waren zu dem Zeitpunkt schon in Mazedonien. Alle Tierschutzorganisationen haben mir abgesagt, sie könnten den Hund auf keinen Fall von der Raststation abholen (ich müsste sie zu ihnen bringen) – irgendwo auch sehr verständlich, die haben schließlich täglich mit sehr vielen anderen Fällen zu kämpfen. Auf Instagram hat mir dann ein ganz liebes Mädchen geschrieben, dass sie eine Cousine dort in der Nähe hat, die einen Freund hat, der Tierarzt ist und hat mich mit ihm in Kontakt gebracht. Eigentlich hatte ich die Hoffnung schon aufgegeben – aber Ivan hat dann gesagt, er hat jemanden organisiert, der für die vier Wochen, während wir auf Urlaub sind, auf die Kleine aufpasst und sie gesund pflegt und er selbst würde sie von der Raststation abholen. Klingt ein bisschen wie zu schön um wahr zu sein, oder? War’s aber nicht. Ivan ist am nächsten Tag zu der Raststation gefahren und hat über eine Stunde lang nach der Kleinen gesucht – weil sie auf einmal nicht mehr da war. Und dann – Bingo. Gefunden. Eingepackt, in Sicherheit gebracht. Und ich – Freudensprünge.
Ivan hat die Kleine dann zu Emir gebracht – der über 70 Straßenhunde versorgt. Dort wurde sie aufgenommen und untersucht. Soweit war mit ihr alles okay, sie wurde auf diverse Parasiten behandelt, bekam Antibiotika, wurde aufgepäppelt und später auch geimpft. Ich bekam von da an täglich Updates zu der Kleinen und musste dann, für den Pass, auch einen Namen aussuchen. Weil das so schnell gehen musste, waren unsere Einfälle eher schlecht als recht und dann haben wir uns einfach kurzerhand für Boo entschieden. Weil sie einfach so ein kleines, süßes, hilfloses Boo war. Ich hab mich über jedes neue Foto und Video von Boo sehr, sehr gefreut und konnte es gar nicht erwarten, bis sie zu uns heimkommt. Zu dem Zeitpunkt waren wir uns übrigens noch überhaupt nicht sicher, dass sie bleibt und eigentlich wollte ich sie, sobald sie gesund und in Sicherheit war, weitervermitteln.
Für mich ging’s nach zwei Wochen Griechenland- und Mazedonienurlaub dann heim, oder eigentlich weiter nach Berlin. Mein Freund blieb noch zwei Wochen länger mit den Hunden und seinem besten Freund dort. Am Rückweg hat er dann Boo besucht, alles besprochen, und eingepackt. Sie wurde quasi ins kalte Wasser geworfen und musste direkt 8 Stunden Autofahrt mit Pippa vorne verbringen. Oder eher Pippa mit ihr – die meinen Freund die erste Stunde lang mit bösen Blicken bestraft hat, so nach dem Motto „Was tust du mir da gerade an?“. Danach ging’s aber gut und die zwei haben ganz friedlich nebeneinander geschlafen und sich gut verstanden. Boo war anfangs etwas traurig, dass sie Emir verlassen musste. Eh klar. Emir war der erste, der ihr ein Gefühl von Zuhause gegeben hat und ein Ort, an dem sie sich sicher und wohl gefühlt hat. Und dann musste sie wieder dort weg. Ich glaub aber schon am selben Tag war die Trauer dann vergessen, als Boo ihre neue Familie und ihre Wohnung kennengelernt hat. Sie hat sich von Anfang an wohlgefühlt. Zwar oft noch reingemacht – wie soll ein junger Straßenhund auch plötzlich so etwas wie Stubenreinheit kennen – manchmal vor Angst, manchmal vor Freude, manchmal vor Pipi-Drang. Aber sonst – sehr wohlgefühlt. Und seit Tag 1 ganz, ganz große Liebe zwischen Pippa und ihr.
Ja, eigentlich war Pippa der Grund, warum wir Boo dann doch behalten haben. Die Zwei haben sich von Anfang an super gut verstanden, miteinander gespielt, Pippa hat sie regelrecht bemuttert, vor allen beschützt und verteidigt, wie ihr eigenes Baby. Die Vorstellung, dass ich die zwei dann wieder auseinanderreiße, wäre undenkbar gewesen – und irgendwie auch einfach gemein Boo gegenüber. Also haben wir nach etwa 10 Tagen beschlossen, dass Boo jetzt endgültig bleiben darf und von nun an ein Zuhause für immer hat.
Ich habe oft zornig überlegt, was in den Köpfen von Menschen vorgeht, die einen Hund einfach auf der Straße aussetzen. Für mich absolut unverständlich. Aber mir geht es auch gut, ich habe selbst keine Existenzängste und habe keine Probleme mich selbst und eine eventuell zukünftig kommende Familie zu ernähren. Genauso habe Ich Geld für’s auf Urlaub fahren, und habe immer etwas auf der Seite, sollten mal „schlechtere Zeiten“ kommen. Hat man das alles aber nicht, dann ist wohl nicht der erste Gedanke, jetzt auch noch einen Hund, der Geld kostet, anzuschaffen. Beziehungsweise wenn man einen Hund hat, hat man den hauptsächlich aus Sicherheitsgründen vor Einbrechern und Plünderern. Bei den meisten Familien in Serbien, Mazedonien, Bosnien oder auch Griechenland werden Hunde nicht unbedingt aus Liebe gehalten, sondern in erster Linie aus Schutz. Kastration – leider oft Fehlanzeige. Büchst dann ein Hund aus, haben wir den Salat. Ich will es auf keinen Fall schönreden oder sagen, dass ich es gutheiße, wenn Hunde ausgesetzt werden – wirklich nicht. Würde ich jemanden dabei erwischen, würde ich ihn fragen, ob ihm jemand ins Hirn gekackt hat. Vor allem bei uns gibt’s dafür von meiner Seite aus absolut keine Toleranz und kein Verständnis. Ich hab nur in den letzten drei Monaten sehr, sehr oft darüber nachgedacht. Und seit ich die Situation in Serbien oder Griechenland gesehen habe, denke ich ein bisschen objektiver darüber nach. Schlimm, ganz schlimm. Aber im Endeffekt kämpfen sehr viele zuerst um ihr eigenes Überleben.
Aber zurück zu Boo. Seit etwa zweieinhalb Monaten stellt dieses kleine Energiebündel unser Leben auf den Kopf. Davor waren wir endlich an einem Punkt, an dem unsere anderen beiden Hunde sehr ruhig, brav und ausgeglichen waren – und dann kommt wieder so ein kleiner Strolch, der alles durcheinander bringt. Trotzdem – ganz, ganz große Liebe. Wir haben uns mit der Entscheidung, sie zu behalten, lange Zeit gelassen – haben diese Entscheidung dann aber nie wieder bereut. Boo ist jetzt Teil unserer Familie, Teil des Rudels. Boo hat endlich ein Zuhause.
22 Kommentare
Tolle Familie hat die süsse Maus bekommen,Respekt
[…] Über den eigenen Schatten gesprungen und Egoismus zur Seite gelegt, habe ich auch, als wir einen kleinen Straßenhund auf der Straße gefunden haben und ich dann alles versucht habe, dieses kleine Etwas eben von dort […]
Beim Lesen deines Blogbeitrag es kamen mir die Tränen. Es ist so schön zu sehen, wie gut es Boo nun geht – aber du führst uns auch vor Augen, wie gut es uns geht. Man weiß nicht, wieso Bo ausgesetzt wurde – und es ist keineswegs in Ordnung ein Lebewesen allein zu lassen. Aber wir wissen halt nicht, in welcher Not der Besitzer war – wie es ihm und vielleicht auch Boo’s Geschwistern geht. Wir können nur hoffen, dass sich auch bei ihnen alles zum Guten gewendet hat.
Das hoffe ich natürlich auch!
SIe ist so süß und die Geschichte so rührend 😍
Jaaaa!
Wow, wie cute sind die Bilder bitte! Und der Beitrag ist so schön geschrieben! <3
Liebe Grüße, Sandra
Danke Sandra!
Ach Gottchen, was für ein goldiger kleiner Kerl – wie schön, dass ihr Boo ein so schönes neues Zuhause schenkt! Besser könnte die kleine Maus es ja gar nicht angetroffen haben. <3
<3
Ich hab eure Geschichte von Anfang an in deinen Insta Stories mitverfolgt <3 Auch mir treibt es immer wieder die Tränen in die Augen, vor Freude für Boo und euch und andererseits bei dem Gedanken, an die vielen Strassenhunde weltweit die alle ein so tolles 4-ever home verdient hätten. Liebe Grüße 💜
Jaaaa, seit Boo versteh ich auch erst den #adoptdontshop Ansatz so wirklich….
was für eine schöne, aber auch traurige geschichte ❤😢
<3
Boo’s Geschichte klingt wie ein Disney Film. Habe schon öfter gehört, dass es Menschen gibt, die Hunde nicht aus finanziellen Gründen aussetzen, sondern weil sie eben gerade stören, weil sie auf Urlaub fahren möchten oder so. Finde ich sehr schlimm!! Oder passiert oft, dass ein Hund weggegeben wird, wenn ein Kind kommt. Egal ob aussetzen oder an jemanden anderen abzugeben, finde beides sehr sehr traurig und weiß nicht wie Menschen so etwas tun können…
Ja, also passiert das aus den Gründen, könnt Ichs auch niemals nachvollziehen. Für mich gehören Hunde zur Familie und egal, wie nervig oder anstrengend die manchmal sind – es ist Familie. Kann auch nicht verstehen, wie Menschen dann auf einmal den Hund weggeben wollen, nur weil dann ein richtiges “echtes” Baby kommt..
Mich berührt diese Geschichte immer wieder und die Fotos von dem Rastplatz zu sehen brechen mir auch heute das Herz. Und ich kann mich an diesen Bildern einfach nicht satt sehen. Boo ist einfach Zucker :)
Jaaa, ist sie!
Die Bilder von Boo’s anfänglicher Verfassung zerreissen mir das Herz und treiben einem echt Tränen in die Augen, so traurig das zu sehen. Um so schöner, dass ihr euch Boo ihrer angenommen habt, so Menschen braucht es! Ihr habt meinen größten Respekt und ich wünsche euch nur das Beste für eure kleine Familie. ♥
Jaaaa, sie war so arm! <3
Ohhh ❤️ ich hatte Tränen in den Augen, als ich mir deinen Beitrag durchgelesen hab. 😍
<3