Ich wollte alleine sein, ich wollte einfach mal ohne irgendeinen Einfluss von außen nachdenken, entscheiden, klar kommen. Ich war zwar nur zwei Tage alleine auf meiner Reise – bei etwa zehn Stunden Pilgern am Tag hat man aber trotzdem genügend Zeit sich mit sich selbst und seinen Gedanken zu beschäftigen. Ich habe in den zwei Tagen Pilgern, den insgesamt 50 zurückgelegten Kilometern mit 11 Kilo am Rücken und Hund, verdammt viel über mich selbst gelernt und herausgefunden – das, was ich eigentlich herausfinden wollte, aber nicht.
Ich wollte die Bestätigung, dass ich gerne alleine bin, dass es mir Spaß macht, alleine unterwegs zu sein, auf mich allein gestellt zu sein. Bottom Line – macht es nicht. Vielleicht bin ich zu schwach, vielleicht bin ich aber auch einfach nur ein Mensch, der sich gerne mit Menschen, die ihm gut tun, umgibt. Ich brauche Menschen, ich brauche Gespräche – zumindest hin und wieder. Vielleicht lag’s am miserablen Wetter – aber ich bin in meinen zwei Wandertagen vielleicht zehn Menschen begegnet – davon fünf im Supermarkt. Geredet habe ich mit drei. Einmal mit der Besitzerin der ersten Herberge, einmal mit der Rezeptionistin im zweiten Hotel und einmal mit der Bedienung von der Wursttheke, die gefragt hat, ob sie Pippa ein Blatt Wurst geben darf. Und das war mir einfach zu wenig.
Am zweiten Tag bin ich zehn Stunden gewandert. Zehn Stunden, die zwar körperlich anstrengend waren – vor allem aber psychisch. Nur Regen, nur tristes Wetter, nur Freilandstraße, kaum Etwas zum Unterstellen, alleine mit seinen Gedanken, nur gehen, zehn Stunden lang.
Vielleicht lag’s am schlechten Wetter und die ganze Geschichte würde anders aussehen, wenn auch nur einmal kurz die Sonne herausgekommen wäre, aber ich hatte wirklich noch keinen einzigen Tag in meinem Leben, in dem es mir so miserabel ging, wie gestern. Von den 30 Kilometern habe ich bestimmt 10 nur durchgeheult. Aus Verzweiflung, aus Aussichtslosigkeit, aus Einsamkeit, aus Angst. Und jeder, der mich kennt, wird das nicht verstehen – weil ich eigentlich nicht weine, vor allem nicht so grundlos. Aber diese 10 Kilometer, in denen es mir absolut dreckig ging, haben mir viel gelernt, haben Seiten in mir hervorgebracht, die ich selbst noch nicht kannte.
Ich wollte mir selbst beweisen, dass ich niemand anderen brauche, um glücklich zu sein, als mich selbst – hab aber auf hartem Weg erfahren müssen, dass das absoluter Bullshit ist. Auch wenn ich gerne alleine bin – ich schätze und brauche den Kontakt mit anderen Menschen sehr. Und auch, wenn ich mit meiner besten Freundin nur zehn Stunden lang vorm Laptop sitze und nichts rede oder mit meinem Freund in getrennten Zimmern sitze, beide mit den Dingen beschäftigt, die uns jeweils Spaß machen. Ich brauche die Gesellschaft und die Gewissheit – da ist jemand, der mich mag, der mich schätzt, bei dem ich ich sein kann. Und genau das hat mir beim alleine Pilgern gefehlt. Auch wenn es nur 48 Stunden waren – das Gefühl, alleine zu sein, auf sich allein gestellt zu sein, ist scheiße. Vor allem, wenn es regnet, hagelt, gewittert und es scheint, als würde die Welt untergehen. Vor allem, wenn man nach einem langen Wandertag nur eine Umarmung brauchen würde. Und vor allem, wenn man eigentlich gar nicht allein sein will.
11 Kommentare
[…] ich euch ja schon in diesem Beitrag erzählt hab, und wie ihr vielleicht über Instagram mitbekommen habt, war ich letzte Woche wandern […]
Wow, der Post hat mich echt berührt. a) weil ich in ca einer Woche auf den Jakobsweg starte (aber zum Glück mit zwei Personen mit denen ich gemeinsam allein sein kann) und b) weil ich in den letzten Jahren, trotz Studium, immer mal wieder länger weg von “Zuhause” war, und eigentlich auch immer gepredigt habe wie wichtig es ist das mal zu erleben &&&. Auch wenn mir mein Pilgern noch bevor steht, habe ich auch für mich erkannt, dass ich einfach kein Einzelgänger bin und gerne bei meiner Familie / umgeben von Leuten bin. Ich denke “zuhause” ist nicht unbedingt ein Ort, sondern ein Gefühl und deshalb war ich immer der Meinung mich überall Zuhause fühlen zu können, aber ich habe gemerkt, dass dieses Gefühl ganz stark von Personen abhängt – und die kann ich nunmal nicht jedes Mal mitnehmen. Naja, ich schreibe mich hier dumm&dämlich :D Was ich sagen will: Ein wirklich toller Post, der mich sehr berührt hat. Du bist nicht schwach, weil du all das für dich erkannt hast – du hast einfach nur etwas über dich gelernt:)
[…] wieder heimzukommen. Darüber, wie ich mich während dem Wandern gefühlt habe, habe ich ja hier schon einen Beitrag geschrieben. Auf jeden Fall war das Wandern im Regen einfach gar nichts für […]
Liebe Angie,
ganz großen Respekt und Kompliment für deinen Mut, diese Reise anzutreten und selber so ehrlich zu sein und sich einzugestehen, dass man einfach nicht mehr kann und nach Hause zurück möchte.
Ich finde, es ist okay, für sich herauszufinden, dass man Menschen um sich braucht; das ist bei mir nicht anders!
Und ich finde deinen Beitrag so schön und ehrlich. Man muss nicht nur auf sich gestellt klar kommen, dafür sind Freunde und die Familie ja auch da und dafür ist man ja auch für andere immer da.
Also, wirklich ein wunderschöner Beitrag und die Erkenntnis, die du gesammelt hast, ist für dich ja auch super wichtig und schön.
Liebste Grüße
Kathi
Liebe Angie,
was für ein toller Beitrag!! Ich ziehe meinen Hut davor, dass du überhaupt den Schritt zum alleine Pilgern gewagt hast. Ich könnte das nicht, ganz auf mich allein gestellt zu sein in so einer neuen und herausfordernden Situation, die wahrscheinlich mit nichts zu vergleichen ist.
Du kannst so, so, so stolz auf dich sein!! :) Noch bewundernswerter finde ich, dass du an dem Punkt, an dem es dir nicht mehr gut gegangen ist, auf dein Inneres gehört und dieses Experiment abgebrochen hast, ohne deine Entscheidung davon abhängig zu machen, was andere darüber denken könnten. DAS ist wahre Größe und dafür verdienst du meinen vollen Respekt. :)
Ich würde dieses “Aufgeben” absolut nicht als Scheitern bezeichnen, sondern als Stärke, dass man ehrlich zu sich ist, auf sich achtet und, wenn es eben sein muss, sich auch eingesteht, dass es bis hier hin geht und nicht weiter.
Und ich kann es so gut nachvollziehen, dass diese Art von Allein sein schwierig ist und einen früher oder später traurig stimmt. Für mich persönlich ist es enorm wichtig zu wissen, dass jemand da ist, wenn ich wen brauche, mich auffängt, mich kurz zum Lächeln bringt, wenn ich am liebsten Weinen möchte, mich in den Arm nimmt und mir einfach das Gefühl gibt, eben NICHT alleine zu sein. :)
Ich wünsch dir alles, alles Liebe,
Sarah :)
Willkommen im Leben eines Singles :(
Ganz ganz toller Beitrag liebe ANgie, ich finde toll, dass du das so offen zugibst, wooow, das kostet sehr viel Mut und Kraft es zu schreiben. Ich bewundere dich überhaupt, ich kann mir nicht vorstellen, viele Tage in Reihe alleine zu sein, auch wenn ich gelernt habe, selbständiger zu sein, brauche ich auch den Kontakt zu meiner familie und Freunden und bin sehr abhängig von ihnen.
Liebe Grüße,
Sandra
Liebe Angie,
Ein sehr schöner, persönlicher Eintrag. Ich kann dich voll und ganz verstehen und finde es ist unheimlich wichtig Leute in seinem Leben zu haben mit denen man “gemeinsam alleine“ sein kann. Genau wie du beschrieben hast: Man sitzt zwar zusammen aber redet vielleicht nicht mal unbedingt miteinander, trotzdem fühlt man sich einfach wohl und nicht einsam. Auf solchen Reisen lernt man eben diese Leute und dieses Gefühl umso mehr zu schätzen!
Liebe Grüße,
Rica
Liebe Angie,
es hat absolut nichts mit Schwäche zu tun, wenn man nicht gut alleine sein kann. Ich bin auch manchmal gerne für mich, aber ich bin defintiv nicht gerne alleine. Ich brauche jemanden um mich herum, und wenn dieser jemand einen Raum weiter ist, ist das absolut okay. Nur ganz alleine, einsam, das bin ich auch nicht gerne. Aber das ist auch nicht schlimm. Auch, wenn du das, was du herausfinden wolltest, nicht gefunden hast, hast du dennoch etwas gelernt. Einsamkeit ist mit das schlimmste Gefühl, das es gibt und wenn man das nicht erträgt, dann ist das ganz normal. Ich denke nicht, dass es jemanden gibt, der mit wirklicker Einsamkeit glücklich und erfüllt leben kann. Wir brauchen den Kontakt mit Menschen. Mit Menschen, die wir lieben und schätzen. Das ist normal und richtig. Und nur, weil wir nicht dauerhaft allein oder besser, weil wir nicht einsam sein können, bedeutet das noch lange nicht, dass wir nicht selbstständig und unabhängig sein könnnen.
Ich glaube, dass du eine ganz wundervolle, starke und mutige Frau bist; das wollte ich nur einmal gesagt haben.
Liebe Grüße,
Lila
Angi, diese Einsicht, dass alles keinen Sinn hatte zeigt von groooooßer Stärke!
Du bist super!
Hallo, ich kenne das mit dem Allein sein aus einigen Jahren als Single leben, da stand es am Wochenende oft auf dem Programm mit niemandem zu sprechen. Aus meiner Sicht geht es im ersten Schritt gar nicht darum, das Allein sein gleich so wahnsinnig toll zu finden, sondern einmal zu erleben, wie es sich anfühlt, wenn man seine Themen völlig mit sich allein ausmachen muss….
Das was du da gemacht hast, war ganz schön viel…. Für den Start ist es aus meiner Sicht schon Rough, wenn man allein ein paar Tage in eine Therme oder so fährt. Da wächst man schon ganz schön!
Und dein Weinen war nicht grundlos. Ich kenne das, in Phasen ohne Halt von Außen (Beziehung, Job, ausreichend Geld) hab ich viel geweint… ich denke, da kommen Dinge aus unserem Unterbewusstsein hoch, die wir so verarbeiten… Oft reicht das und wir müssen gar nicht so genau wissen, was das war.
Ich hoffe, du gibst dir in dem Prozess weiter eine Chance. Das was du da geschafft hast, war toll und es lässt dich wachsen.
Mit sich allein zu sein und zu heulen ist gar nicht jämmerlich oder unnötig… Es zeigt, das viel Kraft da ist, die sich neu sortieren und genutzt werden will.
Das kam bei mir hoch, als ich deine Worte gelesen habe!
Alles Liebe, Claudia