Ich war immer schon ein netter Mensch – hilfsbereit, freundlich, und eigentlich zu jedem irgendwie nett. Zwar nicht immer so nett, wie ich’s heute bin – aber schon so, dass ich mich als netten Menschen bezeichnet hätte. Heute, und eigentlich auch viele andere Tage im Jahr, frage ich mich, ob aus nett nicht irgendwann zu nett geworden ist.
Mein Freund sagt mir oft, dass ich einfach zu nett bin. Er macht sein Ding – sicher, er ist auch hilfsbereit und gesellig, aber nur in einem Maß in dem’s ihn selbst nicht negativ beeinflusst. Und so geht’s vielen Menschen. Jeder macht sein Ding, jeder geht seinen Weg, jeder macht, was er für richtig hält. Zumindest die Egoisten unter uns machen das so – und eigentlich machen sie’s genau richtig. Weil wir dürfen egoistisch sein. Wir dürfen machen, was wir wollen, erfolgreich sein, wegziehen, uns neu verlieben – es ist unser Leben und eigentlich sollten wir einfach machen, auf was wir Lust haben, ohne Rücksicht auf andere.
So etwas konnte ich aber noch nie. Ich war immer schon diejenige, die sich selbst aufgrund anderer zurücknimmt. Die die eigenen Wünsche und Träume hinten anstellt, damit andere zufrieden sind.
Eine Zeit lang wollte ich nach Italien gehen, italienisch lernen, Pasta essen bis zum Umfallen und dort irgendwie herausfinden, was ich in meinem späteren Leben machen möchte, studieren möchte, arbeiten möchte. Ein Mann ist dazwischen gekommen. Ein Mann, der mich nur auf einem kurzen Stück meines Lebens begleitet hat, durch den ich aber einen Teil meines Traums aufgegeben habe. Warum? Aus Angst, dass der Mann in der Zeit, in der ich weg bin, jemand anderen findet, jemand anderen liebt, und ich nie wieder jemanden finde, den ich so mag wie ihn. Und weil er mich darum gebeten hat.
Und dieses Szenario wiederholt sich sehr, sehr oft und sehr, sehr regelmäßig in meinem Leben. So sehr ich es auch liebe, allein zu sein und Zeit nur mit mir selbst zu verbringen, so große Angst hab ich dagegen auch, wenn ich wirklich auf mich alleine gestellt bin. Neue Stadt, neue Menschen, neue Freundschaften, neue Aufgaben – etwas, das in mir eher Unbehagen als Wohlgefühl auslöst.
Und jetzt Zeitsprung. Heute. Heute achte ich mehr auf mich, mache mehr Dinge, die ich will, treffe Entscheidungen, die ich alleine für mich entscheide. Und trotzdem ist da immer noch dieser Hintergedanke. Was bin ich, ohne die Beziehungen zu Menschen, die ich liebe? Komme ich für eine gewisse Zeit alleine klar? Ohne Hund? Ohne Freund? Ohne bester Freundin? Wird, wenn ich zurückkomme, alles noch beim Alten sein? Oder wird es vielleicht sogar viel besser sein?
Warum schaffen es so viele Menschen in meinem Leben egoistisch zu sein, und das zu machen, was ihnen das Herz erwärmt – und warum schaffe ich es selbst nicht? Liegt es daran, dass ich zwei große Geschwister habe, die immer schon auf mich aufgepasst haben? Liegt es daran, dass ich seit ich dreizehn war eigentlich immer, bis auf ganz kurze Pausen, einen Partner an meiner Seite hatte? Dass ich nur ein halbes Jahr lang alleine gewohnt habe, und ansonsten immer mit jemandem das Bett geteilt habe? Bin ich einfach zu ängstlich? Bin ich zu selbstlos? Bin ich zu nett?
Ich war immer der Meinung, dass es so etwas wie zu nett nicht gibt. Wenn mich Freunde, Familie oder mein Partner um etwas bitten, dann mache ich das. Ohne Rücksicht auf mein eigenes Wohl. Auch wenn ich nur sehe, dass jemand etwas braucht oder will, dann versuche ich zu helfen, ungefragt. Ich verschenke das Meiste, das ich als Blogger zugeschickt bekomme, spende viel, verlose viel. Ich bin niemals aggressiv, immer verständnisvoll und versuche, nicht über andere zu urteilen. Große Lästerrunden versuche ich zu meiden, oder halte mich aus Diskussionen raus. Wer bin ich, dass ich über andere urteilen darf? Und eigentlich bin ich wahnsinnig froh, dass ich so bin. Ich bin froh, ein guter Mensch zu sein. Ich bin froh, dass andere mich als den ruhigen, ausgeglichenen Menschen, der ich bin, in Erinnerung haben.
Ich bin froh, ich zu sein und bin froh und unglaublich dankbar, so wundervolle Menschen an meiner Seite zu wissen. Menschen, die bestimmt auch noch da wären, wenn das nächste Treffen erst in einem halben Jahr stattfinden würde. Und trotzdem, oder genau deshalb – weil ich weiß, dass ich aktuell in einer so guten, sicheren, Umgebung lebe, will ich einmal in meinem Leben die Erfahrung vom alleine sein machen. Ich weiß noch nicht genau wie, ich weiß noch nicht genau wo. Nächstes Semester beende ich mein Studium – und dann entscheide ich, wohin’s mich verschlägt. Nur ich, einmal in meinem Leben. Einmal, ohne an andere zu denken – und auch wenn’s mir beschissen viel Angst einjagt, einfach mal die Erfahrung machen, vom alleine sein. Und weil mir das dann irgendwie doch noch zu lange dauert, plane ich gerade meinen ersten Urlaub alleine. Um zu mir selbst zu finden, um zu machen, was mir Spaß macht, nicht um italienisch zu lernen aber trotzdem vielleicht herauszufinden, wohin ich in Zukunft gehen möchte.
17 Kommentare
WOW was für ein wunderschöner persönlicher Blogpost. Ich konnte mich in deinem Blog so gut selbst erkennen und weiß genau wie du dich fühlst ich stehe im Moment an einem sehr ähnlichen Punkt, du bist mir nur einen Schritt voraus. Bisher glaube ich, dass ich es nicht schaffe ins Ungewisse zuspringen sondern in der Comfortzone bleibe und weiter ängstlich bin. Ich bewundere, dass du dich traust diesen Schritt zu gehen ! Ich glaube ich zweifle zuviel an mir selbst.
Ich habe schon sehr oft Urlaub alleine gemacht und es ist jedes Mal wieder Balsam für die Seele. <3
Das hat nichts mit Egoismus zu tun, sondern einfach nur mit Selbstliebe. In diesem Sinne: Viel Spaß und genieß die Zeit!!
LG Miriam
http://www.enemenemimi.com
Dieser Beitrag ist einer der schönsten, die ich gelesen habe! Kenne das auch mit dem ‘zu nett’ sein und zu selten einfach mal nein zu sagen. Lese derzeit das Buch ‘Not sorry’ von Sarah Knight und kann es bis jetzt sehr empfehlen! :)
Alles Gute für dich und ich bin gespant auf die Abenteuer, die noch alleine auf dich warten! 🖤
Ich finde ja wir sollten alle bleiben wie wir sind <3 Denn genau so sind wir richtig.
Mir wurde auch oft gesagt, dass ich viel zu nett bin.
Das habe ich dann auch durch die ein oder andere "falsche" Freundschaft zu spüren bekommen.
Aber es kann NIE zu gute Mensche in dieser Welt geben <3
Danke für diesen wundervollen Blogpost.
Wir sehen uns auf Insta <3 ;-)
Angie, es ist schön, dass es so Menschen wie dich gibt!
Das macht die Welt besser.
Alles Liebe xoxo
Liebe Angie,
Du bist, wie Du bist. Ich kann Dir als ohne Geschwister aufgewachsene, nicht sonderlich behütete Frau schreiben, dass ich dies alles auch tue, weil ich weiß, wie doof es sich anfühlt, wenn man alleine gelassen wird und nicht geholfen bekommt. Insofern hat Deine Vergangenheit nur bedingt mit dem zu tun, was Du heute machst.
Wichtig ist, zu erkennen, dass es so ist. Und in der Folge ist es wichtig, dass Du immer mal bewusst darüber nachdenkst, was Du gerade tust. Das heißt ja nicht, dass Du keine Hilfe leisten sollst oder Dich ändern musst. Aber Du solltest manche Entscheidung eben bewusst treffen.
Das machst Du ja wohl auch schon. Und nein, wir müssen uns nicht ändern. Wir müssen aber weiter doll auf uns aufpassen.
Ein bisschen Zeit mit Dir alleine wird Dir sicher dennoch gut tun. Ich wünsche Dir viel Freude und gute Erkenntnisse!
Liebe Grüße
Birgit
Hallo Angi,
ein Urlaub allein ist doch eine tolle Idee! Ich denke, man kann sich in das allein mit sich selbst sein gut Schritt für Schritt einspüren. Wenn es einem Angst macht, muss man ja nicht gleich für Monate die Brücken hinter sich abbrechen. Es genügt mal mit ein paar Tagen anzufangen :-)
Mir ging es mit Meditieren so – ich hab zu Beginn versucht, eine Stunde zu meditieren – das war der blanke Horror – und dann kam ich drauf, es reicht doch, mal für 2 Minuten die Augen zu schließen und zu Atmen.. :-)
Freu dich auf deinen ersten Urlaub allein – das wird sicher eine ganz tolle Erfahrung!
Lg
Claudia
Hallo du Liebe
mir geht es ähnlich. Es kann ein Nachteil sein, aber auch ein Vorteil. Manchmal nervt es, wenn mich Freunde Bambi nennen und sagen ich sei zu emphatisch. Aber ich möchte nicht zu den Menschen gehören die ignorrant und egoistisch durch die Strassen maschieren. Wir haben so viele davon. Ich bin seit einem Jahr durch eine Knochenkrankheit stark eingeschränkt. Ich erlebe es täglich das in der vollen Ubahn keiner aufsteht und mich sitzen lässt, obwohl das Problem offensichtlich ist. Häufig werde ich angestarrt. Ich bin sicher, würde ich Pippa begegnen, Sie würde aufstehen. Behalte deine Eigenschaften, natürlich nur in einem Masse das dir nicht schadet. Ein kluger Mann hat mal gesagt viele Menschen sind durchschnittlich intelligent also auch nur durchschnittlich emphatisch intelligent, weil sich die eine Intelligenz der anderen anpasst. Sei froh, dass wir nicht dazu gehören.
Alles liebe
Liebe Angie! Wenn ich diesen Text lese, sehe ich mich selbst. Es fällt mir auch sehr schwer mal nicht nett zu sein und oder mal Nein zu sagen. Bei Entscheidungen tu ich mir auch immer sehr schwer.. Es ist schön zu wissen, dass es anderen auch so geht!
Das sind sehr gute Eigenschaften Angie, bewahre sie dir!☺️❤️
Du sprichst mir wirklich aus der Seele. Mir geht es genauso. Vielleicht ist für dich gerade der richtige Zeitpunkt gekommen, dich selbst zu finden und das alleine, irgendwo wo dich niemand kennt und dann wirst du merken, wie du bist und was du willst… ich wünsch dir jedenfalls nur das beste! ❤️
Liebe Angie,
das ist wirklich ein sehr berührender Beitrag. Das mit dem “zu nett sein” kenne ich nur zu gut. Wenn die Mitmenschen es erst einmal registriert haben, dass man immer da ist, immer hilft, immer zuhört und immer zur Seite steht, dann wird es teilweise nicht mehr so geschätzt bzw. irgendwann schon als selbstverständlich angesehen. Und wenn man dann selbst einmal in der Situation ist, in der man Hilfe oder Unterstützung benötigen würde, und diese nicht bekommt, obwohl man selbst immer mit Rat und Tat zur Seite stand, dann finde ich es teilweise sehr traurig und irgendwie enttäuschend.
Nichtsdestotrotz bin auch ich froh darüber, dass ich nicht einer dieser Egoisten bin – auch wenn man manchmal vielleicht etwas “zu nett” ist. :)
Ich wünsche dir einen wunderschönen, ereignisreichen Urlaub allein und ich bewundere dich für deinen Mut, diese Reise zu wagen. Einfach großartig!! :)
Ganz liebe Grüße,
Sarah
Mir liefen die Tränen die Wangen herunter…danke für diesen Beitrag, der mich sehr bewegt hat!! ♡
Wirklich schön geschrieben, ich kann mich damit so gut identifizieren.. :) alleine verreisen klingt echt nach einer guten Idee..
Ich habe auch das Gefühl bzw. sagen es mir meine Eltern, dass ich zu nett bin und ehrlich gesagt, kann ich nicht nein sagen. Soo sooo schöner Beitrag liebe Angie, soo inspirierend und schön zum Lesen, ein wirklich toller persönlicher Post! Ich beneide dich dafür, wie du dich selbst akzeptierst und liebst, ich hoffe, dass ich es eines Tages auch lernen werde. :)
Liebe Grüße,
Sandra
Der Text ist wirklich wunderschön geschrieben, ich finde mich in ihm selbst wieder… Habe sehr oft ähnliche Gedanken – manchmal muss man sich wohl selbst ins kalte Wasser werfen und seine Ängste überwinden, um Erfahrungen zu machen, die man nie wieder vergessen wird. Das ist es aber definitiv wert, denn Erinnerungen bleiben fürs Leben :-) Ich wünsche Dir alles Gute für Deine erste Reise, in der du ganz auf Dich selbst gestellt sein wirst – finde das total mutig, dass Du Deinen Traum umsetzen möchtest… und umsetzen wirst :-)
Sprichst mir so aus der Seele. Bin genau so “zu nett”. Wünsch dir alles gute bei deinem selbstfindungsurlaub 😊 bin schon sehr gespannt wie es dir geht.